Private Essenseinladungen und Korruption

Die jüngsten Vorgänge im RBB, die zu einem Ermittlungsverfahren gegen die ehemalige Intendantin der Rundfunkanstalt geführt haben, werfen unter anderem die Frage nach der Reichweite der Korruptionsdelikte auf.

Ganz grundsätzlich stellt sich die Frage, wo rein private Beziehungen enden und ein strafbares korruptives Verhältnis beginnt. Ein Beispiel von hoher praktischer Relevanz ist die Annahme von Einladungen zu Restaurantbesuchen oder Abendessen. Selbstverständlich haben auch Amtsträger ein Recht auf ein Privatleben sowie auf einen Freundes- und Bekanntenkreis. Dazu zählen natürlich auch gemeinsame Essen und sonstige Unternehmungen. Dabei wäre es völlig abwegig und würde Amtsträger auf längere Sicht sozial isolieren, wenn sie zum Bespiel bei einer Einladung zu einem privaten Treffen stets darauf bestehen würden, die Kosten des Essens anteilig selbst zu übernehmen. Weiterhin kann es Amtsträgern, wie allen anderen Menschen auch, nicht verwehrt sein, private Kontakte zu Personen zu unterhalten, die man ursprünglich im beruflichen Kontext kennen gelernt hat. Dann aber kann sich potentiell die Frage stellen, ob nicht ein Korruptionsdelikt vorliegt.

 

Wie ist also zu beurteilen, wenn ein Amtsträger von einem befreundeten Unternehmer zu einem Restaurantbesuch eingeladen wird? Eine Grenze zwischen erlaubter privater Aktivität und strafbarem Verhalten zu ziehen, ist deshalb schwierig, weil die Übergänge fließend und die Korruptionsvorschriften des StGB sehr weit gefasst sind. Darüber hinaus entzieht sich die Rechtsprechung regelmäßig ihrer Aufgabe, das Recht zu präzisieren und den Vorschriften in der Praxis verlässliche Konturen zu verleihen. Stattdessen behalten sich viele höchstgerichtliche Entscheidungen eine Einzelfallbetrachtung vor, wodurch jedoch Unsicherheiten über die Rechtslage entstehen und die Anwendbarkeit der Korruptionsdelikte tendenziell immer mehr ausgeweitet wird. Eine gewisse Orientierung bieten immerhin Verwaltungsvorschriften über die Annahme von Geschenken, in Berlin die „Ausführungsvorschriften über das Verbot der Annahme von Belohnungen, Geschenken und sonstigen Vorteilen (AV BuG)“ vom 12.8.2020. Auf die vorliegende Frage, ob eine Essensladung rein privater Natur oder (auch) amtsbezogen ist, geben die Verwaltungsvorschriften jedoch keine Antwort.

 

Ausgangspunkt aller Überlegungen ist die sogenannte Unrechtsvereinbarung, die den Kern der Korruptionsdelikte bildet. Gemeint ist damit eine Verknüpfung zwischen dem „Vorteil“ (hier die Essenseinladung) und der Dienstausübung des Amtsträgers. Ob eine Unrechtsvereinbarung vorliegt, hängt – wie immer – von den jeweiligen Umständen ab. In der Rechtsprechung und der Ermittlungspraxis der Staatsanwaltschaften wird auf eine Reihe von Indizien abgestellt: Zunächst einmal ist von Bedeutung, ob zwischen den beteiligten Personen neben beruflichen auch private Berührungspunkte bestehen. Gibt es überhaupt keinen privaten Hintergrund, liegt die Annahme nicht fern, dass die Essenseinladung mit der dienstlichen Tätigkeit des Amtsträgers in Verbindung steht. Dann steht der Verdacht der „Klimapflege“ im Raum und ist der Weg zur Korruptionsstrafbarkeit nicht mehr weit. Daneben haben Wert und Häufigkeit von Essenseinladungen Indizcharakter. Es macht offensichtlich einen Unterschied, ob ein Amtsträger einmalig zu einem kleinen „Snack“ eingeladen wird oder wiederholt in ein teures Restaurant. Genauso macht es bei einem Treffen zu Hause einen Unterschied, ob es sich um einen Grillabend mit Würstchen und Kartoffelsalat handelt oder ein mehrgängiges Menu vom Caterer angeliefert wird. Schließlich kann eine Unrechtsvereinbarung auch rückblickend angenommen werden – wenn ein Amtsträger sich beispielsweise im Rahmen seiner dienstlichen Tätigkeit für Interessen eines Unternehmens einsetzt und bekannt wird, dass er von Repräsentanten des Unternehmens zu Restaurantbesuchen eingeladen worden ist.

Die vorgenannten Erwägungen zeigen, dass in Einzelfällen eine verlässliche Angrenzung zwischen erlaubtem und strafbarem Verhalten vorab kaum möglich ist. Umso mehr ist Sensibilität erforderlich, wenn Personen nicht nur private, sondern auch berufliche Berührungspunkte haben – und einer der Beteiligten Amtsträger ist. Auf Augenmaß der Strafverfolgungsbehörden ist dabei nicht stets zu vertrauen. Im Gegenteil: Die Anforderungen des Anfangsverdachts als Auslöser für ein Strafverfahren sind gering. Die Praxis zeigt, dass schon bei geringfügigen Vorteilen polizeiliche bzw. staatsanwaltschaftliche Ermittlungen eingeleitet werden.

Von

Prof. Dr. Lucian Krawczyk

Prof. Dr. Lucian Krawczyk

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