27.01.2023
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Polizeiliche Vorladung – Ladung als Zeuge in Ermittlungsverfahren
Hinweise vom Anwalt als Zeugenbeistand
Ladung von Polizei / Zoll / Staatsanwaltschaft
Erhält man eine Ladung als Zeuge in einem Ermittlungsverfahren (erste Stufe eines Strafverfahrens), so löst dies viele Fragen aus. Ist man verpflichtet, zu erscheinen und auszusagen? Darf man sich lediglich schriftlich äußern? Was gilt, wenn man Sorge hat, sich bzgl. der untersuchten Straftat selbst strafbar gemacht zu haben?
Häufig handelt es sich um menschlich oder betrieblich schwierige Situationen. So, wenn man befürchtet, bei der Zeugenaussage gegen Menschen aussagen zu müssen, mit denen man befreundet ist, kollegial arbeitet oder von denen man beruflich abhängig ist.
Ablauf der Vernehmung bei Polizei, Zoll oder Staatsanwaltschaft
Zeugen (sofern sie nicht selbst Opfer von Gewalttaten geworden sind) erleben die Zeugenvernehmung meist als unangenehme, mitunter bedrohliche Situation. Unbegleitete Zeugen berichten, dass sie das Gefühl hatten, unter Druck gesetzt zu werden, dass ihnen Angst gemacht wurde, bis hin zu Drohungen, dass umgehend ein Strafverfahren gegen sie selbst eingeleitet würde, wenn nun nicht endlich „die Wahrheit“ gesagt werde. „Die Wahrheit“ ist typischerweise die zuvor erstellte Ermittlungshypothese der Strafverfolgungsbehörden.
Selbst vor Gericht laufen die Zeugenvernehmungen mitunter unfreundlich oder gar herabwürdigend ab. Eine bürgernahe Justiz und ein menschlicher Umgang mit Zeugen wäre wünschenswert, entspricht aber leider häufig nicht der Realität.
Situation von Unternehmen
Schwierig ist auch die Situation der Geschäftsführung oder Complianceabteilung eines Unternehmens, wenn Zeugen mitteilen, dass sie Ladungen zu einem Strafverfahren erhalten haben, welches Unternehmenssachverhalte betrifft. Das Unternehmen befindet sich in einer Doppelrolle. Im formalen Unternehmensinteresse ist die Straftat aufzuklären. Regelmäßig wird den Strafverfolgungsbehörden mitgeteilt, dass vollumfänglich kooperiert wird. Andererseits verfügen die Zeugen über diverse Betriebsgeheimnisse, welche sie ohne Not nicht preisgeben sollen. Regelmäßig ist dem Unternehmen an Geheimhaltung des Strafverfahrens gelegen, um Imageschäden zu vermeiden. Mitunter sind diverse Unternehmensangehörige in Strafverfahren verstrickt, so dass echtes Aufklärungsinteresse nicht durchgängig vorliegt.
Vorladung als Zeuge – Muss man Termin wahrnehmen? Muss man aussagen?
Wie geht man nun um mit der Vorladung durch die Polizei oder die Staatsanwaltschaft? Bis zum Jahr 2017 war es tatsächlich so, dass man polizeiliche Zeugenladungen schlicht ignorieren konnte. Erschien man einfach nicht, so war dies rechtlich zulässig und führte bei Verfahren mit diversen Zeugen dazu, dass die Ermittlungsbehörden sich häufig mit den Zeugen begnügten, die den Vorladungen Folge leisteten.
Mittlerweile sind Zeugen verpflichtet, auf Ladung vor Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft zu erscheinen und zur Sache auszusagen, wenn der Ladung ein Auftrag der Staatsanwaltschaft zugrunde liegt (§ 163 Abs. 3 StPO).
Schlichtes Ignorieren der Ladung zur Vernehmung durch die Polizei ist also regelmäßig nicht mehr möglich.
Ladungen der Staatsanwaltschaft oder des Gerichts muss man ohnehin Folge leisten.
Hilfe für Zeugen in schwierigen Situationen – Rat und Unterstützung
Zwar sind grundsätzlich Zeugen nunmehr in den meisten Fällen verpflichtet, der Ladung Folge zu leisten. „Im Auftrag der Staatsanwaltschaft“ erfolgen nun auch die polizeilichen Ladungen regelmäßig. Allerdings haben Zeugen das Recht, sich vor der Vernehmung anwaltlich beraten zu lassen. Dies gilt gerade auch bei Durchsuchungen von Unternehmen. Es ist hierbei anzuraten, bei Spontanladungen zur Vernehmung durch Polizei, Zoll oder Staatsanwaltschaft auf das Recht zu bestehen, sich zuvor mit einem anwaltlichen Beistand zu beraten. Dieses Recht wurde durch das Bundesverfassungsgericht festgestellt und es ist in § 68 b StPO normiert.
Bei bestimmten Personen- oder Berufskonstellationen gibt es bereits ein Zeugnisverweigerungsrecht. Angehörige des Beschuldigten haben nach § 52 StPO ein Zeugnisverweigerungsrecht (Verlobte, Ehegatte, nahe Verwandtschaftsverhältnisse). Ein umfassendes Zeugnisverweigerungsrecht besteht außerdem bei bestimmten Berufskonstellationen (u.a. Geistliche, Verteidiger, Anwälte, Steuerberater, Ärzte).
Meist liegen diese Konstellationen jedoch nicht vor.
Hilft man als Anwalt Zeugen, so läuft dies typischerweise so ab:
Zunächst führt man ein längeres Gespräch mit dem Zeugen. Außerdem holt man so viel zusätzliche Information über das im Hintergrund stehende Strafverfahren ein, wie möglich. Die Informationsbeschaffung geschieht bspw. durch Kontaktaufnahme mit den Anwaltskollegen, welche das Unternehmen vertreten und den Verteidigern der Beschuldigten.
So kann man als Anwalt rasch feststellen, ob für den Zeugen die Gefahr besteht, sich im Rahmen der Zeugenaussage selbst zu belasten und ggf. selbst zum Beschuldigten zu werden. Außerdem kann festgestellt werden, ob es neben Auskunftsverweigerungsrechten sonstige rechtlich problematische Fragen gibt.
Konkret bedeutet dies: Es wird entschieden, ob man gemeinsam mit dem Zeugen zu der Vernehmung geht – oder aber ob man mit Hilfe eines Schriftsatzes die Abladung des Zeugen beantragt. Dies kommt insbesondere bei gefährdeten Zeugen in komplexeren Verfahren des Wirtschaftsstrafrechts vor. Insbesondere, wenn es enge Berührungspunkte zwischen den Vorwürfen und dem Agieren des Zeugen gibt, genügt mit entsprechender Begründung in der Praxis regelmäßig ein Antrag auf Abladung mit der Mitteilung, dass sich der Zeuge auf ein umfassendes Auskunftsverweigerungsrecht gem. § 55 StPO beruft (vgl. zur Mosaiktheorie BGH NJW 1999, 1413) und daher „ungeeignetes Beweismittel“ ist.
Entscheidet man sich hingegen, mit dem Zeugen in die Vernehmung zu gehen, weil diese Situation nicht gegeben ist, oder, weil dem Zeugen der psychologische Effekt dieses Vorgehens bspw. gegenüber dem Arbeitgeber nicht behagt, so ist es sehr wichtig, sich zuvor genau über die Vernehmungssituation auszutauschen. Der Umgang mit zu erwartenden Situationen ist vorab zu erklären und dem Zeugen sind seine Rechte und Pflichten für verschiedene Vernehmungs- und Fragemöglichkeiten zu verdeutlichen.
Wenn die Informationen vorab erörtert sind und der rechtliche Rahmen feststeht, ist die Zeugenvernehmung selbst üblicherweise nicht mehr schwierig.
Zu empfehlen ist, dass der Zeugenbeistand in Strafsachen kundig ist, also bestenfalls Strafverteidiger/Fachanwalt für Strafrecht ist. So kann er sicher beurteilen, wie groß das Risiko für den Zeugen ist und auf welche Weise der Zeuge am sichersten durch die Situation der Vernehmung gebracht werden kann.
Rechtlicher Kontext
Der Zeugenbeistand ist in § 68 b StPO gesetzlich geregelt. Absatz 1 der Vorschrift lautet:
- 68b Zeugenbeistand
(1) 1Zeugen können sich eines anwaltlichen Beistands bedienen. 2Einem zur Vernehmung des Zeugen erschienenen anwaltlichen Beistand ist die Anwesenheit gestattet. 3Er kann von der Vernehmung ausgeschlossen werden, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass seine Anwesenheit die geordnete Beweiserhebung nicht nur unwesentlich beeinträchtigen würde. 4Dies wird in der Regel der Fall sein, wenn aufgrund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass
- der Beistand an der zu untersuchenden Tat oder an einer mit ihr im Zusammenhang stehenden Datenhehlerei, Begünstigung, Strafvereitelung oder Hehlerei beteiligt ist,
- das Aussageverhalten des Zeugen dadurch beeinflusst wird, dass der Beistand nicht nur den Interessen des Zeugen verpflichtet erscheint, oder
- der Beistand die bei der Vernehmung erlangten Erkenntnisse für Verdunkelungshandlungen im Sinne des § 112 Absatz 2 Nummer 3 nutzt oder in einer den Untersuchungszweck gefährdenden Weise weitergibt.
Daraus folgt:
Kein Zeuge muss die Sorge haben, dass es ungewöhnlich wirkt, wenn er als bloßer Zeuge mit einem Anwalt kommt. Dies sieht das Gesetz gerade vor und dies ist, jedenfalls in Wirtschaftsstrafverfahren, in der Praxis üblich. Sollte man als Zeuge mit dem Sachverhalt einer umfangreicheren Wirtschaftsstrafsache näher in Verbindung stehen, erschiene es beinahe schon als fahrlässig, sich keines Zeugenbeistandes zu bedienen.
Weiter ist relevant, dass der Zeugenbeistand nicht gleichzeitig Verteidiger in demselben Strafverfahren sein kann (vgl. § 68 b Abs. 1 S. 4 Nr. 2 StPO).
Indes kann ein Anwalt als Zeugenbeistand mehrere Zeugen vertreten, solange keine widerstreitenden Interessen ersichtlich sind.
Zeugen haben diverse Rechte und sind nicht schutzlos der schwierigen Situation überlassen.
Kosten des Anwalts als Zeugenbeistand
Die Kosten für die anwaltliche Tätigkeit können individuell vereinbart werden und hängen vom Umfang der Aufgabe ab.
Im Unternehmenskontext ist es regelmäßig so, dass die Anwaltskosten von den Unternehmen getragen werden, in welchen die Zeugen arbeiten. Die Unternehmen haben eine Schutzpflicht für die Arbeitnehmer und haben darum das Recht, Kosten für Zeugenbeistände aufzubringen. Regelmäßig profitieren die Unternehmen selbst von professionell begleiteten Zeugen.
Wie können wir Ihnen helfen?
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