Durchsuchung der Arztpraxis – So verhalten Sie sich richtig!

Schon ein geringer Anlass kann genügen: In einer vom Bundesverfassungsgericht (Beschluss v. 21.01.2008, Az.: 2 BvR 1219/07) zu beurteilenden Konstellation wurde die Praxis einer Ärztin durchsucht, der lediglich eine Falschabrechnung von Euro 74,71 angelastet wurde.

Für den beschuldigten Arzt steht viel auf dem Spiel: Nicht nur wird z.B. Abrechnungsbetrug mit Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren bedroht, sondern es schließen sich regelmäßig Folgeverfahren aus dem Bereich des Berufs-, Approbations- und Zulassungsrechts an. Hinzu kommt, dass die in derartigen Strafverfahren häufig angeordnete Durchsuchung von Praxis- und Wohnräumen mit einer erheblichen Öffentlichkeitswirkung verbunden sein kann. Um in der unerwarteten Durchsuchungssituation angemessen zu reagieren empfiehlt es sich, nachfolgende Verhaltenshinweise zu beachten.

Die Situation beim Eintreffen der Beamten

Bitten Sie die Ermittlungsbeamten nach Betreten der Praxis, sich durch ihre Dienstausweise zu legitimieren und den Grund der Durchsuchungsmaßnahme mitzuteilen. Lassen Sie sich einen ggfs. vorhandenen Durchsuchungsbeschluss aushändigen. Ist der Praxisinhaber nicht selbst anwesend, so muss durch eine entsprechende Anweisung sichergestellt sein, dass er durch das Praxispersonal sofort informiert wird. Um die Beeinträchtigung des laufenden Praxisbetriebs und die Öffentlichkeitswirkung möglichst gering zu halten, empfiehlt es sich, den Beamten einen Arbeitsplatz in einem gesonderten Zimmer anzubieten.

Der Arzt sollte dann unverzüglich einen Strafverteidiger informieren und die Beamten bitten, bis zu dessen Eintreffen mit der Durchsuchung abzuwarten. Es besteht allerdings keine Verpflichtung, dass auf das Erscheinen des Anwalts gewartet wird. Ist ein zeitnahes Erscheinen des Rechtsanwalts aufgrund der räumlichen Entfernung zum Ort der Durchsuchung nicht möglich, sollte der Verteidiger zumindest telefonisch mit dem Einsatzleiter der Durchsuchung Kontakt aufnehmen. Auch der Rechtsanwalt vermag die Durchsuchung nicht zu verhindern, er kann allerdings dafür sorgen, dass diese ordnungsgemäß abläuft und die nachteiligen Auswirkungen begrenzt werden, etwa indem Beschlagnahmeverbote geltend gemacht werden.

In jedem Fall verbietet es sich, körperlichen Widerstand gegen die Durchsuchung zu leisten oder mögliches Beweismaterial zu vernichten oder beiseite zu schaffen. Ebenso dürfen Daten nicht gelöscht und nicht auf potenzielle Zeugen eingewirkt werden. Im schlimmsten Fall kann durch derartiges Verhalten der Haftgrund der Verdunkelungsgefahr erfüllt werden, so dass Festnahme und Untersuchungshaft drohen.

Ziel der Durchsuchung: Beweismittelgewinnung

Typischerweise geht es bei der Durchsuchung einer Arztpraxis darum, Beweismittel zu beschlagnahmen. In Abrechnungsbetrugsverfahren ist das Interesse der Fahnder zumeist auf die (elektronische) Behandlungsdokumentation hinsichtlich eines oder sogar aller Patienten, auf Terminkalender, Dienstpläne, Abrechnungsunterlagen oder sonstige vermögensrelevante Unterlagen gerichtet. Nicht selten versuchen die Ermittlungsbeamten aber auch, bereits anlässlich der Durchsuchung Angaben des beschuldigten Arztes zum Tatvorwurf zu erhalten. In der psychischen Ausnahmesituation der Durchsuchung und ohne Kenntnis der konkreten Vorwürfe sollten indes keinerlei Äußerungen zur Sache gemacht werden. Eine unbedachte Aussage in diesem frühen Verfahrensstadium kann das gesamte weitere Strafverfahren entscheidend prägen und die Verteidigung ungemein erschweren. Hinzu kommt, dass der Arzt ad hoc kaum wird abschätzen können, ob er durch Äußerungen gegen seine ärztliche Schweigepflicht verstößt. Denn da ihn die Patienten nicht von seiner Schweigepflicht entbunden haben, würde die freiwillige Herausgabe von Behandlungsunterlagen eine Straftat nach § 203 StGB wegen der Verletzung von Privatgeheimnissen darstellen.

Der Ratschlag, zunächst zu schweigen, gilt nicht nur für die förmliche Vernehmung des Arztes als Beschuldigter, sondern auch für sog. informelle Gespräche, die häufig am Rande von Durchsuchungen durch die Beamten geführt werden. Ungeachtet ihres informellen Charakters werde sie nämlich anschließend in Aktenvermerken dokumentiert und finden so auch ihren Weg in das Verfahren.

Gegenüber schwerwiegenden und möglicherweise unberechtigt empfundenen Vorwürfen zu schweigen, kann schwerfallen. In aller Regel wird der beauftragte Verteidiger aber schon unmittelbar nach der Durchsuchung Akteneinsicht beantragen, nach deren Erhalt dann die Möglichkeit besteht, über den Verteidiger umfassend zu den Vorwürfen Stellung zu nehmen und diese zurückzuweisen.

Problematisch: Befragung von Praxismitarbeitern

Häufig werden Praxismitarbeiter erst in einem fortgeschrittenen Verfahrensstadium zur Zeugenvernehmung vorgeladen, beispielsweise wenn sich herauskristallisiert hat, wer intern für die Betreuung der Abrechnung zuständig war. Gleichwohl ist nicht ausgeschlossen, dass schon die Durchsuchungssituation und der damit verbundene Überraschungseffekt genutzt wird, um – vermeintlich unbeeinflusste – Aussagen des Praxispersonals zu erhalten. Seit Mitte 2017 hat sich die Rechtslage für Zeugen in einem entscheidenden Punkt geändert: Während Zeugen zuvor nicht verpflichtet waren, einer Vorladung der Polizei Folge zu leisten, besteht nun im Grundsatz eine Erscheinens- und Aussagepflicht. Voraussetzung hierfür ist, dass der Vernehmung eine staatsanwaltschaftliche Anordnung zugrunde liegt, was in medizinstrafrechtlichen Verfahren regelhaft der Fall ist. Allerdings hat jeder Zeuge das Recht, sich eines Rechtsbeistandes zu bedienen, der ihn ggfs. zu einer Vernehmung begleitet (vgl. § 68b Abs. 1 Satz 2 Strafprozessordnung). Dieses Recht in Anspruch zu nehmen ist gerade im Fall von Praxismitarbeitern durchaus sinnvoll, da diesen unter dem Gesichtspunkt einer möglichen Selbstbelastung ein Auskunftsverweigerungsrecht zustehen kann.

Kooperation und Widerspruch

Grundsätzlich empfiehlt es sich im eigenen Interesse, während der Durchsuchung mit den Ermittlungsbehörden zu kooperieren. Suchen die Beamten etwa eine bestimmte Patientendokumentation, so sollte ihnen gezeigt werden, wo sie sich befindet. Anderenfalls wird riskiert, dass auch nicht verfahrensrelevante Unterlagen durchsucht und sogar mitgenommen werden. Dies kann nicht nur zu erheblichen Beeinträchtigungen des laufenden, aber auch zukünftigen Praxisbetriebs führen, sondern es besteht auch die Gefahr sog. Zufallsfunde. D.h., die Beamten stoßen im Zuge der Durchsuchungen z.B. auf Unterlagen, die aus ihrer Sicht Anhaltspunkte für andere Straftaten bieten.

Gleiches gilt für die elektronische Praxissoftware: Wird den Beamten z.B. das Passwort mitgeteilt und ihnen so ermöglicht, elektronische Datenbestände durchzusehen und zu kopieren, erübrigt sich die Mitnahme der gesamten Hardware. Im Übrigen sollten von in nächster Zeit benötigten Unterlagen nach Möglichkeit vor der Beschlagnahme Kopien angefertigt werden.

Wichtig ist, dass keine im rechtlichen Sinne freiwillige Herausgabe von Unterlagen erfolgt, was – ebenso wie mündliche Aussagen zu bestimmten Patienten – unter dem Gesichtspunkt der ärztlichen Schweigepflicht problematisch sein kann. Konkret bedeutet dies, dass der Sicherstellung schriftlich widersprochen werden muss. Achten Sie deshalb darauf, dass in das anzufertigende Durchsuchungsprotoll der ausdrückliche Widerspruch aufgenommen wird, ehe Sie es unterschreiben. Ebenso müssen alle beschlagnahmten Unterlagen und Gegenstände in einem Sicherstellungsverzeichnis konkret aufgeführt sein.

 

Fazit

Wenngleich sich die unangenehme Situation einer Praxisdurchsuchung nicht im Vorhinein planen lässt, sollten im eigenen Interesse gewisse organisatorische Vorkehrungen getroffen werden, um den Schaden zumindest zu begrenzen. Hierzu kann gehören, den Mitarbeitern eine Checkliste an die Hand zu geben, wie im Fall der Fälle adäquat zu reagieren ist.

Checkliste für Mitarbeiter

  • Ruhe bewahren und Beamte hereinlassen, vorher festgelegten Arbeitsplatz anbieten.
  • Sofort Praxisinhaber bzw. Rechtsanwalt verständigen und Beamten bitten, bis zu deren Eintreffen mit der Durchsuchung abzuwarten.
  • Beamten mitteilen, dass die Anwesenheit eines Rechtsanwalts bei der Zeugenvernehmung gewünscht wird. Cave: Kein Anspruch auf Abwarten bzw. Terminverlegung, ggfs. müssen Angaben gemacht werden.
  • Kooperation: Heraussuchen der gesuchten Unterlagen und Gegenstände, nach Möglichkeit Kopien anfertigen.
  • Widerspruch: Im Durchsuchungsprotokoll der Beschlagnahme ausdrücklich widersprechen.

Von

Dr. Maximilian Warntjen

Dr. Maximilian Warntjen

Fachanwalt für Strafrecht

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