Ermittlungsverfahren / Durchsuchung wegen § 266 a StGB – Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt – Tipps vom Fachanwalt für Strafrecht

Vorladung wegen § 266 a StGB
Durchsuchung wegen § 266 a StGB
Wie sollte man sich verhalten?  

 

I. Verhalten bei Beginn eines Verfahrens wegen § 266 a StGB  

Erhält man eine Vorladung wegen § 266 a StGB (Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt) oder wird ein Unternehmen wegen § 266 a StGB durchsucht, löst dies viele Fragen und Sorgen aus. § 266 a StGB ist eine strafrechtliche Norm und die Strafdrohung aus dem Gesetzestext beträgt bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe, in besonders schweren Fällen gar bis zu zehn Jahren. Beschuldigte erfahren von Ermittlungsverfahren (also Strafverfahren) wegen § 266 a StGB regelmäßig durch eine Durchsuchung am Arbeitsort. Seltener werden sie über eine Vorladung der Polizei oder Staatsanwaltschaft informiert, dass gegen sie ein Ermittlungsverfahren geführt wird. Sie erhalten dann die Möglichkeit, sich als Beschuldigte zu äußern.

Eine Äußerung gegenüber den Ermittlungsbehörden, gleich, ob im Rahmen der Durchsuchung, bei einer nachfolgenden Beschuldigtenvernehmung oder auf schriftliche Weise, schadet regelmäßig sehr. Ohne rechtliche Expertise und ohne Kenntnis der Ermittlungsakte sind Äußerungen nicht zielführend.

Als Beschuldigter hat man das Recht zu schweigen und darf sich in jeder Lage des Verfahrens des Beistandes eines Verteidigers bedienen. Es ist – gerade zu Beginn einer solchen Strafsache – wichtig, diese Rechte zu kennen und auf ihnen zu bestehen. Denn frühe Aussagen ohne Anwalt können sehr nachteilige Folgen haben.

Auch Zeugen haben das Recht, sich vor der Vernehmung anwaltlich beraten zu lassen und in die Vernehmung mit anwaltlicher Begleitung zu begeben. Bereits in Durchsuchungssituationen ist anzuraten, dass Zeugen „Spontanvernehmungen“ unter Hinweis auf ihre Rechte widerstehen. Unternehmen haben übrigens das Recht, Zeugenbeistände für die Arbeitnehmer zu organisieren und zu bezahlen.

Die Verteidigung gegen den Vorwurf gem. § 266 a StGB sieht vor, dass der Sachverhalt mit dem Mandanten vertraulich besprochen wird, Akteneinsicht bei der Staatsanwaltschaft genommen wird und sodann eine Stellungnahme für den Beschuldigten erfolgt, mit der beispielsweise die Einstellung des Verfahrens beantragt wird. Verfahren gem. § 266 a StGB sind oft komplex und bedürfen einer umfangreichen Aufarbeitung in sachlicher und rechtlicher Hinsicht. Es muss in Ruhe die beste Verteidigungsstrategie erörtert werden.

Die gesetzliche Strafandrohung sollte nicht zu sehr verunsichern. In der Praxis endet die Mehrzahl der Strafverfahren wegen § 266 a StGB nicht mit einer Freiheitsstrafe. Regelmäßig kann die Einstellung des Verfahrens erreicht werden. Ebenfalls in Betracht kommt die Sanktionierung auf schriftlichem Wege mittels Strafbefehl, bspw. zu einer Geldstrafe.

 

II. § 266a Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt – Was ist das eigentlich?

 

Die Norm stellt das Nichtabführen des Arbeitnehmeranteils an der Sozialversicherung unter Strafe (Abs. 1) bzw. das Vorenthalten des Arbeitgeberanteils zur Sozialversicherung durch unterlassene oder falsche Meldung (Abs. 2) sowie die Nichtabführung von bestimmten sonstigen Lohnanteilen (Abs. 3). Bereits das Nichtabführen zum Zeitpunkt der Fälligkeit steht unter Strafe.

 

Strafgesetzbuch (StGB)

§ 266a Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt

(1) Wer als Arbeitgeber der Einzugsstelle Beiträge des Arbeitnehmers zur Sozialversicherung einschließlich der Arbeitsförderung, unabhängig davon, ob Arbeitsentgelt gezahlt wird, vorenthält, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer als Arbeitgeber

1.

der für den Einzug der Beiträge zuständigen Stelle über sozialversicherungsrechtlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben macht oder

2.

die für den Einzug der Beiträge zuständige Stelle pflichtwidrig über sozialversicherungsrechtlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis lässt

und dadurch dieser Stelle vom Arbeitgeber zu tragende Beiträge zur Sozialversicherung einschließlich der Arbeitsförderung, unabhängig davon, ob Arbeitsentgelt gezahlt wird, vorenthält.

(3) Wer als Arbeitgeber sonst Teile des Arbeitsentgelts, die er für den Arbeitnehmer an einen anderen zu zahlen hat, dem Arbeitnehmer einbehält, sie jedoch an den anderen nicht zahlt und es unterlässt, den Arbeitnehmer spätestens im Zeitpunkt der Fälligkeit oder unverzüglich danach über das Unterlassen der Zahlung an den anderen zu unterrichten, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Satz 1 gilt nicht für Teile des Arbeitsentgelts, die als Lohnsteuer einbehalten werden.

(4)

 

 

Der wenig zugängliche Text der Norm darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass es in der Praxis regelmäßig um identische Vorwürfe geht:

 

  • Arbeitnehmer werden schwarz entlohnt.

 

  • Arbeitnehmer werden offiziell angestellt (bspw. Minijob oder Teilzeit), erhalten aber einen Barbetrag zusätzlich, der schwarz gezahlt wird.

 

  • Personen werden als Selbständige entlohnt. Die Sozialversicherungsträger und die Ermittlungsbehörde (in Berlin: Hauptzollamt) gehen aber davon aus, dass die Personen in Wahrheit Arbeitnehmer sind, für welche Sozialversicherungsbeiträge abzuführen wären. Hier wird stets darüber gestritten, ob die Person tatsächlich weisungsgebunden bzgl. Arbeitsweise, Arbeitsort, Arbeitsdauer ist, ob sie eingegliedert ist in den Betrieb des Arbeitgebers oder aber ob die Person das eigene unternehmerische Risiko trägt, frei in Arbeitsgestaltung ist, bspw. ein eigenes Büro und eigene Arbeitsmittel verwendet usw. Hier gibt es zahlreiche relevante Kriterien.

 

  • In einer wirtschaftlichen Krise des Unternehmens werden die Beiträge nicht oder nicht rechtzeitig bezahlt.

 

  • Sozialversicherungsbeiträge werden auf andere Weise hinterzogen, bspw. indem Kurzarbeitergeld beantragt wird, die Arbeitnehmer aber weiter in gleichem Umfang tätig sind.

 

Es handelt sich bei § 266 a StGB um ein klassisches Kontrolldelikt. Das bedeutet, dass eine Aufdeckung typischerweise nur bei Behördenkontrollen erfolgt. In der Praxis gibt es daneben Fälle, welche durch (mitunter anonyme) Hinweisgeber angezeigt werden und dann zu Schwarzarbeitskontrollen oder Durchsuchungen führen. Diese Hinweisgeber sind nicht selten ehemalige Arbeitnehmer des Betriebes, welchen im Rahmen von Auseinandersetzungen gekündigt wurde.

Der Umfang mutmaßlicher Schwarzarbeit oder Scheinselbständigkeit gilt als beträchtlich. Die Zahl der strafrechtlichen Verfahren ist hoch.

Für das Jahr 2022 wurde ein Umfang der Schattenwirtschaft insgesamt (also diverser weiterer Delikte) in Deutschland in Höhe von rund 326 Milliarden Euro prognostiziert. Damit entspräche der Umfang der Schattenwirtschaft in Deutschland rund 8,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP). („Umfang der Schattenwirtschaft in Deutschland von 2003 bis 2021 und Prognose für 2022“ – zu finden unter https://de.statista.com/statistik/daten/studie/20063/umfrage/entwicklung-des-umfangs-der-schattenwirtschaft-seit-1995/).

Es wird davon ausgegangen, dass die hohe Inflation für deutlich mehr Schwarzarbeit in Deutschland sorgt (s. https://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/schattenwirtschaft-hohe-inflation-sorgt-fuer-deutlich-mehr-schwarzarbeit-in-deutschland-was-aus-sicht-von-oekonomen-nicht-nur-nachteile-hat/28877370.html).

 

III. Wer ist bei Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt strafrechtlich verantwortlich?

Sehr relevant in dem Zusammenhang ist, dass strafrechtlich verantwortlich nach § 266 a StGB nur der Arbeitgeber ist. Arbeitgeber ist freilich oft eine juristische Person wie eine GmbH oder Aktiengesellschaft. In Deutschland können sich jedoch nur natürliche Personen strafbar machen, keine juristischen Personen. Die strafrechtliche Zurechnung geschieht dann über § 14 StGB, so dass regelmäßig GmbH-Geschäftsführer oder Vorstände einer AG Beschuldigte sind. Außerdem können dies über § 14 Abs. 2 StGB auch Führungspersonen aus dem Personalbereich sein.

Von großer Bedeutung in der Praxis sind auch die sogenannten faktischen Geschäftsführer. Dies sind Personen, die zwar nicht offiziell als Geschäftsführer eingetragen sind, in Wahrheit aber das Unternehmen führen. Diese werden eingetragenen Geschäftsführern strafrechtlich gleichgesetllt, so dass sie in der Praxis häufig Beschuldigte sind. Eine faktische Geschäftsführung wird typischerweise durch die Behörden geprüft, indem untersucht wird, ob in einer Person zumindest sechst der folgenden Kriterien erfüllt sind:

  • Bestimmung der Unternehmenspolitik
  • Unternehmensorganisation
  • Einstellung von Mitarbeitern
  • Gestaltung der Geschäftsbeziehungen zu Vertragspartnern
  • Verhandlung mit Kreditgebern
  • Gehaltshöhe
  • Entscheidung der Steuerangelegenheiten
  • Steuerung der Buchhaltung

 

Erfüllt die in Frage stehende Person zumindest sechs dieser Kriterien, wird die Stellung des faktischen Geschäftsführers als überragend angesehen, so dass die Person – auch ohne formal als Geschäftsführer eingetragen zu sein – als Geschäftsführer angesehen wird und entsprechend strafrechtlich verfolgt werden kann (vgl. BayObLG, Urteil vom 20.02.1997 – 5 St RR 159/96).

Eher selten werden in der Praxis die einzelnen Arbeitnehmer verfolgt, obwohl theoretisch eine Strafbarkeit in Betracht kommt (u.a. Beihilfehandlung zu § 266 a StGB).

Typische weitere strafrechtliche Risiken für Arbeitgeber bieten aber auch Fälle der illegalen Arbeitnehmerüberlassung, der illegalen Beschäftigung von Ausländern, der Beschäftigung von Scheinselbständigen oder auch des Unterlassens von notwendigen Arbeitsschutzmaßnahmen.

In den Fällen des § 266 a StGB bestehen regelmäßig daneben Vorwürfe der Steuerhinterziehung.

 

IV. Verteidigungschancen

Die Verteidigungschancen sind – wie regelmäßig in Wirtschaftsstrafverfahren – üblicherweise gut. Sie hängen sehr mit dem Aufwand zusammen, der für die Verteidigung aufgebracht wird. Da die Verfahren sachlich und rechtlich häufig komplex sind, ist auch die Verteidigung zeitintensiv. Selten gelingt Ermittlungsbehörden eine fehlerfreie Feststellung des Sachverhalts. Eine engagierte Verteidigung mit langem Atem führt bei § 266a StGB regelmäßig zum Erfolg.

 

In den folgenden Fällen können wir helfen:

 

  • Sie sind auf der Suche nach einem Strafverteidiger / Anwalt wegen § 266 a StGB

 

  • Sie werden beschuldigt, eine Straftat gem. § 266 a StGB (Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt) begangen zu haben

 

  • In Ihrem Unternehmen findet eine Durchsuchung wegen § 266 a StGB statt

 

  • Sie haben eine Vorladung als Beschuldigter wegen § 266 a StGB (Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt) vom Hauptzollamt, der Polizei oder der Staatsanwaltschaft erhalten

 

  • Sie haben eine Ladung als Zeuge in einem Ermittlungsverfahren/Strafverfahren wegen § 266 a StGB (Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt) vom Hauptzollamt, der Polizei oder der Staatsanwaltschaft erhalten

 

  • Sie sind für Ihr Unternehmen auf der Suche nach einem Zeugenbeistand oder mehreren Zeugenbeiständen

 

  • Sie haben einen Strafbefehl wegen § 266 a StGB (Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt) erhalten

 

  • Sie haben sonstige Fragen zu § 266 a StGB (Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt) oder zu Schwarzarbeit

 

Melden Sie sich jederzeit gerne bei uns. Wir sind Fachanwälte für Strafrecht. Wir verteidigen seit über zehn Jahren erfolgreich in Wirtschaftsstrafverfahren in Berlin und bundesweit.

 

 

 

Von

Dr. Tobias Lubitz

Dr. Tobias Lubitz

Fachanwalt für Strafrecht

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